„Mit geht es gut: aber ich traue mich nicht, das laut zu sagen.“
Vielen Menschen kommt ein solcher oder ähnlicher Satz über die Lippen. Denn sie trauen sich nicht, das ‚Glück herauszufordern‘. Man muss sich dann als Zuhörer fragen, ob das vielleicht Aberglaube ist.
Mich erinnert das an diese dramatische Aussage, dass man als Überlebender eines KZ niemals wieder ruhig bleiben konnte, da man ja – im Gegensatz anderen – nicht gestorben sei. So fühlen sich offenbar auch Überlebende einer Katastrophe oder eines Unfalls, die nicht zu den Opfern gehören.
Anders ist es, wenn Menschen Hochzeit feiern. Dann ist es ein Muss zu sagen, dass dies der schönste Augenblick im Leben ist. Deswegen heißt es dann wohl auch ‚Hoch’zeit.
Also was steckt wohl dahinter, dass man sich nicht traut? Kann es sein, das dies damit zu tun hat, Deutscher zu sein? Dann in Frankreich oder in Italien sagt man ses ich ständig ein oder fordert auch andere dazu auf zu sagen: „das Leben ist schön“. In Deutschland hingegen geht man wohl davon aus, dass alles perfekt sein muss, aber nie ist. Deswegen kann man auch nicht zufrieden sein.
Es gibt nun auch Völker oder eben Menschen, denen eine Stimmung eigen ist, stets ein trauriges Antlitz und Gepräge zu geben. Man denke an die Schwermut des Tangos in Argentinien. Man denke an den Blues, der nichts anderes ist, als mit dem Hadern des Schicksals zurechtzukommen. Vielleicht will man es weg singen, kultiviert es aber wohl eher. Dann muss man wohl auch feststellen, dass die Russen schlicht schwermütig sind. Sie fangen nach ein wenig Alkohol an, so zu singen, dass man als Nicht-Russe am liebsten weinen würde.
Vielleicht greift aber auch so etwas wie eine immanente Logik: wenn ich glaube, dass es mir unumwunden gut geht, dann kann es ja keinerlei Positives mehr geben.
Irgendwie will gelernt sein zu sagen, dass es einem gut geht. Erkrankt man so, dass man sein Leben nicht mehr ungehindert führen kann, dass man Schmerzen hat oder gar Ängste um sein Leben haben muss, dann ist man nach der Gesundung erlöst und befreit: es geht einem wieder gut. Das wäre auch eine Logik: hat man nie ein Tal der Tränen durchlaufen, kann man auch kein Hochgefühl erfahren.
Gerade unter jungen Leuten ist es schwierig, sich in seinem Gutsein zu sonnen: man leidet keinen Hunger, keine Gewalt, keine Optionen. Und dennoch ist man nicht zufrieden, wenn auch nicht unzufrieden. Man kann es einfach nicht ein-schätzen.
Ein Hinweis der Glücksforschung könnte uns bei der Freistellung beistehen: denn Glück ist kein permanenter Zustand, sondern eine rhythmische Reihung, eine ständige Wiederkehr von Glücksmomenten. Beschränkt man sich darauf, dürfte man auch sagen, dass es einem an nichts fehlt – schlicht gut geht.