Wieso gibt es keinen Plural von Liebe?

Liebe ist ein seltsames Konzept. Auch ist es ein schönes Wort, gar im Klang. Und es gibt Menschen, die gar Liebe heißen.

Wohl gibt es das Wort auch in allen Sprachen. Ob es das am meisten ausgesprochene Wort auf der Welt ist? Zu befürchten ist, dass es eher andere Worte in die Hitliste der am häufigsten gesagten Worte schaffen.

Wir kennen, was uns die Sprache liefert: die Mutterliebe, die Liebe zu einem x/y, die Liebe eines Hobbies, die Liebe zu einzelnen Empfindungen und vermutlich noch andere. Wieso gibt es eigentlich keine anerkannte Typologie von Liebe(n)? Dann kämen wir besser mit diesem Heiligtum zurecht, dass für viele das Elixier, gar der Sinn des Lebens ist.

Die Frage hier ist aber die, wieso dieses Wort, was da immer im Singular herkommt, auch immer nur eine/n Adressaten haben soll und darf. Handelt es sich um Menschen, dann liebt man letztlich doch nur immer einen oder eine? Anders darf es sein bei Hunden, bei Speisen, Sportarten, Filmen und anderem mehr. Aber bei Menschen verdichtet sich Liebe mit anderen Konzepten wie Treue und Vertrauen, Schutz und Unterstützung, Verständnis und Partnerschaft.

Relativiert wird die Grundannahme emotionalen Monopols sicherlich dadurch, dass wir in der Folge gleich mehrere Liebesbeziehungen haben können: es beginnt mit der ersten Liebe und auf dem Konto bleibt dann die große Liebe des Lebens stehen. Aber sie folgen eben einander, sie geschehen nicht gleichzeitig.

Gegen die Grundannahme ließe sich anführen, dass es vor allem in den letzten 150 Jahren auch 3er Beziehungen, offene Partnerschaften und andere Ausnahmen von der 2er Liebe gab. Aber ist das nicht alles Ausdruck der Opposition gegen einen gesellschaftlich tief verwurzelten Glauben, dass man die Liebe einer Person und einem Gegenüber zu schenken hat? So sprechen wir mit unserem Gewissen ja auch darüber, wenn plötzlich die eine durch eine neue Liebe überlagert wird: das kann doch nicht sein! Oder ist es erlaubt? Wie würde ich mich fühlen, wenn das mir passierte?

Man könnte auch den Negativ-Test machen: braucht es überhaupt Liebe? Es wäre so viel angenehmer, nicht den Entzug erleben zu müssen, ob er nun plötzlich eintrifft oder sich schleichend einstellt. Wie geht es den Menschen, die niemals geliebt haben? Sind die krank? Fehlt ihnen etwas? Auch hier wieder weiß die Gesellschaft Antwort: sie ist als alte Jungfer gestorben. Na ja, er war Zeit seines Lebens allein und ist deswegen natürlich auch schrullig geworden. Ja es mangelt dieser Person an der essentiellen Erfahrung von Liebe. Haben diese Menschen jedoch ein anderes Objekt wie einen Hund, ergeben sich wundervolle Partnerschaften.

Woher kommt diese Liebe eigentlich? Bedarf sie überhaupt des anderen? Oder ist es platonisch auch gut – oder vielleicht gar besser? Besteht Liebe aus einem Wechselspiel oder erwächst das dem eigenen Denken und Fühlen? Das Objekt der Liebe muss keinen Anteil an der Liebe haben! Dann hätte der österreichische Sänger Danzer recht. Und wenn Du mich nicht lieben willst, dann liebe ich mich alleine.

Wie fühlt man sich, wenn man geliebt wird? Ist man nicht auch voll’ schlechten Gewissens? Denn man hat begriffen, dass man selbst Ursache für den Mangel des anderen, ja seines Unglücks ist. Aber was soll man auch schon tun, wenn man nun einmal nicht in derselben Weise ‚empfindet’? Dennoch kann man sich auch im Gefühl laben, geliebt zu werden, und das still genießen oder den Liebenden zum eigenen Vorteil manipulieren.

Im ständischen Zeitalter, als man mit seines- und ihresgleichen vermählt wurde, basierte die Eheschließung auf Erwägungen, den gesellschaftlichen Rang und den sozioökonomischen Status zu erhalten und eben standesgemäß zu heiraten. In Filmen wird dann – dem modernen Zuschauer – geantwortet, Liebe entstehe schon mit der Dauer der Ehe. Aber könnte auch sein, dass es eben diese Liebe damals nicht überhaupt gab?

Historisch wurde die romantische Liebe erfunden, sie ist nichtmals 900 Jahre alt, also 40 Generationen alt. Angesichts dieses Befundes der Wissenschaften muss man sich fragen, ob denn die vielen Personen und mehr als 1.000 Generationen seit der Menschwerdung dann ohne Liebe waren.

Man kann ja empathisch gewesen sein, aus gutem Grund der Überlebenstaktik gar soziale Eigenhaften entwickelt haben oder Formen der Gemeinsamkeit ausgebildet haben. Aber gehört zu den Trupps, die nur zum Überleben erst durch die Savannen streiften und schließlich in Dörfern landeten, wirklich auch Liebe? Wo bitte hätte sie ihren Platz gehabt? Wieso gibt es eigentlich nicht ‚das’ Symbol der Menschen für die Liebe, das man in Ausgrabungsstätten überall auf der Welt finden würde? Schließlich gibt es für Geburt und Tod vieler solche materiellen Hinterlassenschaften.

Der Liebe ist kaum auf die Spur zu kommen. Sie mag ein Konstrukt sein. Das würde bedeuten, dass wir ihr hinterher jagen, weil man uns frühzeitig im Leben gesagt hat, dass es sie gebe und man sie finden müsse. Sonst bliebe das Leben unerfüllt. Ja, Leben ohne Liebe hieße, dahin zu vegetieren. Wenn dem nicht so wäre, würden wir eine Idee umsetzen wollen, die vielleicht nur abstrakt ist – wenn auch zugegeben schön!

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