Stellen Sie sich vor, Sie erhalten eine Geschenkebox und die ist leer! So ähnlich verhält es sich mit der Weihnachtszeit: die Verpackung kennt jeder, doch der Inhalt hat sich verflüchtigt.
Weihnachten ist zum seltsamen Ritual geschrumpft. Für die Menschen ist eine willkommene Phase der Erholung am Jahresende. Gleichzeitig ist es ‚der’ Familientag schlechthin: niemals fühlt man sich so verpflichtet, den Heiligabend im Kreise der biologischen Familie zu zelebrieren.
Nun könnte man klagen, dass Weihnachten sich stark von dem abgewandt hat, was es für den Großteil des 20. Jahrhunderts bedeutete. Doch das hieße auch, die Messlatte dort zu setzen, was einer anderen historischen Epoche entspricht.
Gleichzeitig tut man jedoch auch gut daran, an den Ursprung dieses Tages zu denken: es ist die Geburt des Religionsgründers unserer Kultur. Das Problem ist, dass die vielen Muster der Erzählungen keine Anknüpfungspunkte in unserem Alltag und Denken mehr haben: was nur ist eine unbefleckte Empfängnis? Wieso kommen Heilige aus dem Osten und bringen Geschenke? Warum muss ein Sohn des Gottes überhaupt auf die Erde kommen, um dann getötet zu werden? Und was bedeutet es nur, dass er den Menschen damit die Erlösung bringt?
Viele Journalisten und medialen Religionsvertreter schließen also, dass Weihnachten eigentlich nichts mehr mit seinem Ursprung zu tun hat. Die Glossen und Kommentierungen nehmen so auch in den Zeitungen, Magazinen, Radio- und Fernsehsendungen zu. Tja, schick ist es geworden, über Weihnachten zu lamentieren: so ist doch alles nur Kommerz! Eine wahrliche Industrie ist rund um die moderne Weihnachtsgestaltung entstanden – gibt es nicht zwischenzeitlich gar TV-specials zu den größten Weihnachtsliedern im Bing Crosby, Maria Carey, George Michael oder Chris Rea? Und treten an Weihnachten nicht die Familienkonflikte in aller Härte hervor – schnellen dann nicht die Scheidungsraten nach oben?
Doch könnte man dem mit dem berühmten Zitat entgegentreten: „Tradition ist nicht das Halten der Asche, sondern die Weitergabe der Flamme.“ Es geht nicht in erster Linie um die Aufrechterhaltung überkommener Formen des Feierns und Gedenkens.
Wir modernen Menschen haben das Glück, eine Zeit des Jahres zu verbringen, die uns mit dem Zeigefinger mahnt, an das Gute schlechthin zu denken. Zwar tut sie das dadurch, dass man Freunde und Familie beschenken soll; dass man spendet; dass man auf das Jahr zurückblickt; dass man das harmonische Miteinander und die dekorierte Umgebung schätzt. Doch das lädt uns alle ein, sich diese Zeit zu nehmen, um dem Leben schlechthin zu gedenken, die eigene Situation zu bewerten, sich Gutes zu tun, sich dem Schönen zu widmen und auch bloß zu träumen.
Es geht um unsere eigene „christliche Botschaft“! Die kann für uns recht unterschiedlich ausfallen. Doch ahnen wir, dass das Leben nicht nur Anstrengung, Problemlösung, aktives Tun und Pflicht ist. Es hat auch mit der Erfüllung eigener Sehnsüchte zu tun. Es ist auch eine Zeit, den Gedanken freien Lauf zu lassen oder sich von schönen Traditionen einfangen zu lassen und so zur Ruhe zu kommen. Wir sollten sie nutzen, diese Weihnachtszeit, die nur vordergründig ausgehölt ist, soweit wir sie nicht selbst befüllen.