Darf man so tun ‚als ob‘?

Die Turnschuh- und Outdoor-nation etabliert sich dieser Tage immer mehr in dem Maße, wie der Segway uns die Bewegung erspart. Ist das ein kollektiver Selbstbetrug?

Vor Jahren ging ich in einen Laden, der Schuhe führte. Ich fragte dort nach den Luxus-Sportschuhen meiner Jugend, also Adidas Universal. Bei einem speziellen Modell fragte ich nach, ob es sich für allen möglichen Sport nutzen ließe. „Aber nein: das sind keine Sportschuhe. Das sind life style-sneakers.“

Sensibilisiert durch dieses Erlebnis begann ich mehr und mehr auf Schuh’bekleidung‘ zu achten. Wenn ich zuweilen dann in einer U-Bahn sitze, nehme ich immer mehr bunte, gar schrille Schuhmodelle und Farben wahr, die eine Form haben, als ob sie für Sport taugen würden.

Ähnliches fällt mir zu einem Witz eines befreundeten Arztes ein, der schmunzelnd von einer Umfrage berichtete. Auf die Frage ‚was tun Sie für Ihre Gesundheit?‘ war Antwort Nr. 1 ‚ich gehe zum Arzt‘. Auch hier entdeckte ich wieder diese für mich irrationale Rationalität.

Wenn sich das schon kollektiv vollzieht, wiederholt sich das nicht auf der Ebene des Einzelnen? Würde das nicht bedeuten, dass man sich ein programmatisches Selbstbild gibt, das aber faktisch falsch und nicht echt ist? Würde das Vorleben der Massen nicht auch dazu einladen, es selbst auch zu tun?

Die Begegnung dieses Phänomens lässt mich in einer Beratung immer wieder stutzen. Denn es heißt doch, auch einem Selbstbild ein Mindestmass an objektiver Reflektion und das Bewusstsein seiner Außenwirkung beiseite zu stellen.

Der Psychologe Kahnemann würde dieses Phänomen als ’normal‘ betrachten, da es tatsächlich dem Verhalten der Mehrheiten entspricht. Dennoch sollte sich der moderne Mensch auch dieses Stück an Selbstaufklärung gönnen.

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