Das ostdeutsche ‚man‘

Eine seltsame Entpersonalisierung fand zu Zeiten der DDR statt: das ICH verschwand aus der Umgangssprache, indem man auf eine neutrale und unkenntliche Form der Bezeichnung wechselte: das MAN, die Leute, die x und y.

Das weiß ich natürlich auch nicht annähernd, da ich im Westen und ohne Kontakte zu Ostdeutschen aufgewachsen bin. Dennoch höre ich das bei vielen Berichten von Zeitzeugen, die über damalige Verhältnisse berichten. Auch das kollektive WIR fehlt. Ich würde sagen: „WIR im Westen haben …“

Warum ist das so? Ist es Scham? Will man sich so einer vermeintlichen Mitverantwortung entziehen? Und gleichsam die Begründung mitliefern, alles Verhalten sei durch eine vorgeschriebene Norm erzwungen worden?

Ist diese sprachliche Finesse nur ein Zufall? Oder steckt dahinter ein soziales Rationale? Man ist bei Sprache immer versucht, eine Art von Vernunft bei der Fortentwicklung zu unterstellen. Doch kommt man damit normalerweise nicht weiter.

Im gesamtdeutschen Sprachraum setzt sich dieses Personen- und geschlechtsneutrale DU immer mehr durch: „wenn DU dann Durst hast, musst DU etwas trinken.“ Oliver Kahn ist der Treiber. Er hat es aus den deutschen Kabinen des Profifußballs mitgebracht.

Ich glaube aber, es auch schon im Rap Songs gehört zu haben. Auch dort verschwindet die ICH Form mehr und mehr – als ob das ICH immer empfindlicher und unaussprechlicher würde. Wahrscheinlich verschwindet es tatsächlich hinter den uniformierten Hüllen – armes ICH!

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