Steinmeier hat anlässlich des 75.Gedenktages zur Befreiung vom NS-Regime eine Rede gehalten, die auf der Perspektive von Richard von Weizsäckers Rede 1985 aufbaute: dass das deutsche Volk von der Unrechtherrschaft befreit worden sei.
Er hat dies damit verbunden, den inneren Schweinehund des Nationalismus ins Visier zu nehmen. Er hat dies mit dem Begriff der ‚Faszination des Autoritären‘ getan – eine gelungene Formulierung. Denn man müsse sich auch von der inneren Versuchung befreien, dem Autoritären nachzugeben.
Man schaue sich das einmal an: man ist dankbar dafür, dass einer sagt, wo es lang geht; die Ermüdung über den Meinungsstreit hat ein Ende; die Einfachheit zur Erklärung der Umwelt ist verführerisch – auch für die Linken (was man kaum glauben kann). Die Autorität hat indes zwei Seiten: denn zum einen schreibt man einer Person, einer Clique, einem System zu, die Wahrheit zu kennen. Damit einher geht auch, dass sie die richtigen Maßnahmen ergreifen können, um aus jeglicher Krise zu kommen. Man delegiert dann die Macht, befreit sich von der eigenen Anstrengung und handelt also wie alle anderen Gläubigen auch. Man wird Teil einer Gefolgschaft.
Zum anderen aber ist das Autoritäre eben auch die Instanz, die sich gegen Andersmeinende richtet und Widerstände niederwalzt. Das können Einzelpersonen sein, aber auch Bewegungen oder staatliche Einrichtungen. Dann zeigt der Mensch seine hässliche Fratze, indem er sich auf die Macht des Stärkeren nicht nur beruft, sondern es auch nutzt. Schließlich legitimiert er sie sogar.
Das Autoritäre kann selbst unter seinen Opfern eine gewisse Faszination entfalten – so seltsam es klingt. Ich habe schon gelegentlich Kinder von strengen Vätern getroffen. Es waren meist Frauen. Und als Erwachsene haben sie sich dann einen Mann gesucht, der so wie der Vater handelte. Dies ist verquer, da sich doch der Widerstand stets gegen den eigenen Vater und seine Befehlsgewalt richtet. Jedoch ist die Freiheit des Handelnden mit der Zeit dann nicht mehr die erste Wahl, wenn man weiß, wie man unter der Gewaltherrschaft zurecht kommen kann. Kinder von strengen Eltern lernen eben, damit umzugehen und gar eine Meisterschaft darin zu erlangen.
Das Autoritäre ist indes selbstverständlich von der Autorität zu unterscheiden.