Wieso ist Erben eigentlich mit so vielen Konflikten versetzt?

Dieser Tage sind die Eltern meiner Generation um die 80 Jahre. Für viele von uns heißt das, sich um ihr Wohlergehen zu kümmern und sie auch in Krankheit zu begleiten. Es ist ein Thema, das unsere Gespräche dominiert.

Auch sterben unsere Eltern. Und auf einmal tauchen dann Fragen auf, wie mit dem Erbe umgehen. Es geht dann auch um Vermächtnis, Gerechtigkeit, das Ranking von Geschwistern und schlichtem materiellem Zugewinn. Meist endet das gemeinsame Erbe in Zwistigkeiten und Sprachlosigkeit, die sich niemals mehr kitten lassen.

Bei alledem besteht ein gesellschaftlicher Konsens, das Erbschleicherei widerlich ist und eine Beschädigung der elterlichen Erinnerung. Es sind immer die anderen, die unrechtmäßig nehmen – und nicht geben können. Manchmal scheint mir der Satz zu greifen, dass ‚Gelegenheit Diebe macht‘. Denn plötzlich kann man alles gebrauchen. Auf der anderen Seite des Spektrums steht das Rachebedürfnis für erlittenes Unrecht in der Familie: ich will nichts von alledem. Es könnte aber auch sein, dass das schlichter Selbstschutz ist.

Nun, ich selbst erlebe dieser Tage alle Varianten: da verlangen die zwei Geschwister den Erbverzicht des dritten Kindes; da will man unbedingt vermeiden, dass ein Stück x an einen Dritten geht – als ob es ein Verrat an der Familie wäre; da verlangt man plötzlich die Dinge zurück, die man selbst den Eltern geschenkt hat; und da entpuppt sich überraschenderweise ein Möbel als zentrales Moment der nicht vorhandenen Eintracht mit den Eltern. Es gibt wohl noch viel mehr an Typiken.

Es ist eben kein Spiel darum, wer mehr gewinnt. Es geht darum, ‚sein‘ Recht durchzusetzen. Gibt es zu Erbangelegenheiten eine Beratung? Nein. Denn die ist immer nur juristisch.

Aus dritter Perspektive würde ich sagen – einmal halb lang! Denn wo ist das Problem? Ist ein Erbe ein Glücksfall? Ist es ein Zwang, das Meiste herauszuholen? Handelt es sich um ein Recht, das man einlösen muss, um vor sich gut dazu stehen?

Und dann kommt noch die bittere faktische Situation dazu: das Zeug steht dann herum, die Erinnerung verblasst. Und man traut sich nicht, materielles Erbe zu entfernen. Es ist wie die Puppe des Kleinkindes, die die wahre Mutter repräsentiert. Man würde sie quasi töten.

Die Konflikte haben zwei Dimensionen. Erstens ist es die Gier: es gibt dort etwas, was zu haben ist. Ich will nicht, dass andere mehr bekommen als ich. Ich würde mich richtig schlecht fühlen. Die entscheidende Frage ist, ob man Gier steuern und unterdrücken kann. Das ist wohl möglich, wie uns Psychologen und Anthropologen uns sagen. Es ist nur der Ekel, der sich nicht unterdrücken lässt – alles andere schon.

Und zweitens handelt es sich um die berüchtigten alten ‚Rechnungen‘, also Verletzungen, die ungesühnt geblieben sind. Der Tod eines weiteren Familienmitglieds dürfte die letzte Gelegenheit sein, um sich zu rächen. Der alttestamentarische Grundsatz des Aug für Aug erzwingt sich Bahn.

Also ist Erbe vor allem Arbeit an sich, nicht Arbeit an anderen. Ich selbst habe mich gefragt, was wohl der Vererber wollte: das einzige, was ich erschließen konnte, war die soziale Fürsorge, die man mit seinem materiellen Gut unterstützen könnte. Ob ich dem nachgekommen bin, weiß ich allerdings auch nicht.

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