„Sie haben sich verirrt“

Welch schönen Satz hörte ich gerade in einem TV-Krimi! Dass ein Täter einfach nur einen falschen emotionalen Weg gegangen sei – und sich so vermutlich um sein gesamtes Leben gebracht habe.

Es ist ein Urteil wie eine Erklärung zugleich, was – im Großen und Ganzen – passiert. In dem Drehbuch sind eher Kriterien offenkundig, die von niedrigen Motiven und anderen Umständen handeln, wieso es zur Tat kam und welche Umstände ausschlaggebend waren.

Geirrt zeigt vieles an, was uns aus dem Fadenkreuz von Schuld und Unschuld, Mitwisser und Verdächtiger, Opfer und Täter usw. herauslässt. Denn unsere Erwartung ist bei einem Krimi ja immer dieselbe: es geschieht ein Verbrechen; man muss suchen; den Täter finden; die Motivlage nachzeichnen; Überführen; und Verurteilen – woher kommt dann noch der Thrill, müsste man sich fragen? Vielleicht von den Verfolgungsszenen und anderer Action.

Diese These des Irrwegs jedoch nimmt die Perspektive des Lebens ein und ordnet die Tat und vor allem auch ihre Auswirkung dem gesamten Leben zu. Das ist von vorne und von oben gedacht. Es beurteilt eben auch das gesamte Verhalten einer Person, die sich schuldig gemacht hat.

Und die Verirrung zeichnet eben auch die Zufälligkeit des Moments, schuldig zu werden. Dies sehe ich immer gut getroffen an den großen Hinweisschildern am Rand der Autobahnen, wie „einmal nur nicht aufgepasst.“ Es kann so schnell passieren, zum Schuldigen und Bösewicht zu werden. Man stelle sich eben vor, ein Kind im Autoverkehr zu töten.

Und die Zufälligkeit zeigt sich eben auch in den Unfällen bekannter Menschen. Ein Beispiel dafür ist Michael Schumacher, als er mit dem Kopf auf einen Stein fiel. Oder der Extrem-Skifahrer Ressmann aus Österreich, dessen Tod durch die Auslösung eines falschen Karabiners verursacht wurde.

Man kann sich aber auch gedanklich und logisch verirren. Das jedoch würde kein Mensch ungerne zugeben, da das Denken eben Teil der eigenen Identität ist. Man stelle sich vor, dass man zugeben müsse, eine falsche Schlussfolgerung getroffen zu haben! Leider bleibt man dabei und versucht lieber eine zusätzliche sachliche Begründung für das Falsche zu finden. Es ist wie mit dem Mörder, der seine Spur verwischt. Die Scham ist eben so groß wie die soziale Sanktion des Irrtums.

Es ist, was man einem Erwachsenen ohnehin nicht zubilligt. Denn erwachsen sein, heißt mündig sein – eben irgendwie fehlerhaft, nachvollziehbar, einsichtig, und vieles mehr. Aber auch Erwachsene irren – und das ist eben Teil von uns. Ein Rechtssystem jedoch auf dem vollständig rationalen Menschen auszubauen, ist daher mit stetem Ruckeln verbunden, sich mit dem Menschsein auch auseinander zu setzen, um ihn rechtlich in ein System ordnen zu können. Im Rechtsystem gibt es zwar die Variante der Schuldunfähigkeit, doch die gilt nur für die Wenigen. Was ist mit der Mehrheit?

Im Rückblick kann der Mensch jedoch immer gut beurteilen, wohin sein Lebensweg hätte führen können. Denn am Ende eines Lebens erscheint das Leben eben wie ein Weg, der auch räumlich von der Geburtsstadt bis zum Ort des Totenbettes führt. Und dann kann man zugeben, falsch abgebogen zu sein. Dann nämlich muss man sich nicht mehr verantworten. Das Lebensende schafft den Freiraum für die blanke Ehrlichkeit.

Mein Plädoyer gilt der Ehrlichkeit über Einsichten, ohne jedoch dann das gesamte Spiel umzukehren, nämlich mit den Fehlern zu kokettieren, um sich über das richtige Handeln lustig machen zu können.

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