Politik als Projektionsfläche

Die Politik hat etwas Faszinierendes. Sie ist in aller Munde und dennoch fern und unbekannt (wenn man an den realen Politikbetrieb denkt). Sie ist wie ein Platzhalter außerhalb jeglicher mathematischen Berechenbarkeit. Und einzigartig zumindest für die Demokratie: jeder kann, darf und soll mitreden.

Und so ist ‚Politik‘ ein Spielfeld der grenzenlosen Gedankenspielereien, ein eigenes philosophisches Genre für die Massen. Denn jeder einzelne kann sich seine Utopien basteln. Es ist Privatsache und eben nicht nur eine öffentliche Sache. Jeder hat seine politische Anschauung; und Politik ist nicht nur das, was als öffentliche Angelegenheiten bezeichnet wird. Immerhin gibt es gar Vokabeln dafür, wie beispielsweise die ‚Politik der Straße‘.

Den Realitätstest müssen gedankliche Spielereien und Phantasien nicht machen. Eher geht es um grundsätzliche Entwürfe und Wünsche / Werte eines menschlichen Zusammenlebens. Die Umsetzung wird somit vollständig ausgeblendet; das können dann die vielen Heinzelmännchen, die Beamten machen, die Politik konkretisieren müssen.

In diesem Dia- und Multilog passieren Dinge, die dem komplexen Klimageschehen gleichen. Denn es gibt Gesetzmäßigkeiten, die so richtig von niemanden, eben auch nicht von den Teilnehmern selbst verstanden werden.

Insoweit muss man auch das Wesen der Politik weder in seinen institutionellen Strukturen noch den immanenten Verfahren kennen. Der Stammtisch kann sich somit voll entfalten, ohne sich an Realitäten halten zu müssen. Somit können Faszination und Anmutungen von Verschwörung wie persönliche subjektive Glaubenssätze im Konvolut des Austausches greifen; wie im Rausch.

Politik definiert sich nicht mehr als Thema, das wichtig für die Gesamtheit der Menschen ist. Das wären Themen wie Krieg und Frieden oder die Ernährung der Bevölkerung. Politik ist heutzutage vor allem ein Synonym für das Auslassen von Fürsorge: Politik kümmert sich nicht; vor allem nicht um meine privaten Bedürfnisse. Das muss sie aber tun.

In der Geschichte der Menschheit betete man zu einem unbekannten Gott, der sich der konkreten Probleme des Alltags annehmen möge. Heutzutage erwartet man von der Politik, dass sie seinen Platz einnehmen möge. Nur: es gibt keinen Ausschluss mehr, keine Exkommunikation und keine Verantwortung für seinen Glauben – wie bequem.

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