Moralischer Absolutismus versus Nihilismus

Politiker werden in ihrem Handeln nur mehr an der moralischen Güte bewertet. Diese moralischen Standards setzen sich aus Nachhaltigkeit, sozialer Solidarität, individueller Freiheit und Stil zusammen. Die jeweiligen Benchmarks sind dabei nicht fix, sondern lassen weiten Spielraum zur Diskussion. Und das sind die Fenster, die in Talk Shows zum zentralen Gegenstand der Diskussion werden.

Trotz eines Konsenses über die wissenschaftliche Überprüfbarkeit mischen sich Sorgen und negative Szenarien unter die Argumentation und werden zu quasi-Fakten. Befürchtungen rangieren hoch. Es wird immer weniger um Hier und Jetzt, sondern um die Zukunft in ihrer negativen Variante diskutiert.

Aber es wird auch breit und mit Lust über das Fehlverhalten von Menschen debattiert; wobei es eigentlich niemals um das richtige Verhalten geht. Es geht darum, was ‚eigentlich‘ nicht in Ordnung ist. Der jeweilige Standard bleibt immerzu im Verborgenen. Der etablierte öffentliche Dialog bewegt sich auf einem sehr kleinen Spielfeld.

Immer mehr werden das Auftreten und die Außendarstellung von Spitzenpolitikern zum Maßstab dessen, wie man ihre politische Leistung beurteilt – also ob man einen guten Arzt an seinem Lächeln erkennen würde oder aber einen Wissenschaftler an seinem Brillenstärke.

Dazu gesellen sich Reflexe, die staatlicher Politik an sich misstrauen; die Bewegung von Menschen muss es sein. Es ist wie zuvor ‚der kleine Mann auf der Straße‘. Er ist die Verortung dafür, am Ort der Wahrheit zu sein bzw. ihn zu besetzen. Nur das Natürliche und Ursprüngliche, das irgendwie Menschliche ist im Recht. Mich erinnert das an den schönen Wilden, der in der vor-aufklärerischen Romantik das Ideal wahren Menschseins ausmachte.

Der Politikwissenschaftler Werner Patzelt ist umstritten, da man ihm eine Nähe zur Rechten unterstellen. Grund dafür ist seine Kritik an der political correctness und ihre tabuisierten Themen; sie wirke wie ein Denkverbot. Und da sich dahinter die Werte der liberalen globalen Eliten verbergen, welche sich zum Mainstream erklären, ist jeder Kritiker irgendwo am Rand zu verorten.

Und dabei zeigt sich das ideologische Moment ganz deutlich: wer nicht mit uns ist, der ist gegen uns – und gehört demnach auch nicht dazu. Ist man also nicht Teil des erklärten Ganzen, ist man Nichts. Man muss tatsächlich ausgegrenzt und bekämpft werden. Der Absolutismus zeigt sich darin, dass selbst gegen die eigenen Werte verstoßen werden kann: die Freiheit des Andersdenkenden ist relativiert.

Das geschieht schleichend; und ehe man sich versieht, hat man das Muster mit der Selbsterklärung, zu den progressiven und guten Menschen zu gehören, zu seinem eigenen gemacht.

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