An der Front der Sinne ist wohl das, was ich rieche, am meisten verkümmert. Ich muss mich schon enorm konzentrieren, um überhaupt etwas zu erinnern oder zu konstruieren. Wäre ich bei einer Verkostung von Gerüchen, würde ich versagen.
Bei einem Besuch der Gedenkstätte Hohenschönhausen in Ost-Berlin meinte ein ehemaliger Insasse, der unter den Besuchen war, dass es auch 20 Jahre danach noch immer so rieche. Es war wohl ein Hinweis auf die spezielle Verbindung zwischen Bodenbelag und Reinigungsmittel.
Ich versuche mich an den Geruch der Wohnungen meiner Großeltern zu erinnern. Und tatsächlich gab es etwas Unverwechselbares. Ich habe es noch heute in Erinnerung. Bei den Eltern meines Vaters gab es diesen Küchengeruch, der irgendwie metallern war. Auch der Flur roch so. Mit dem Öffnen der Wohnungstür hatte man ihn in der Nase.
Bei der Mutter meiner Mutter allerdings gab es diesen eher warmen und süßlichen Eindruck. Bei meinem Großvater mütterlicherseits roch es nach Wurst – was mich nicht wundert, da im Keller ein Lager für Fleischwaren war.
Und auch bei meinen Eltern gab es Gerüche. M.E. war es eine Mischung aus Haarfestiger, Weichspüler, Lederreinigungsmittel u.a. Im Bad roch es nach vor sich hin trocknenden Waschlappen, die alles dominierten.
Im meiner Wohnung mag es auch riechen. Ich ahne den Eindruck, dass ich den Geruch wohl kenne, weil es eben meiner ist. Vermutlich ist es so wie mit der persönlichen Stimme, die sich nicht wiedererkennen lässt, da sich nämlich der Klang durch die Resonanz des eigenen Kopfes ergibt.
Was so die Bestandteile eines Geruches von Räumlichkeit ausmacht, weiß ich nicht genau. Es mögen die zusätzlichen Mittel sein, aber auch das Mobiliar und der Teppich. Es sind wohl auch die typischen Nahrungsmittel und Rückstände des zubereiteten Essens.
Und auch Menschen riechen selbst; der eine stärker, der andere weniger. Ich kannte einst eine Frau, die erdig roch – durch die Kleider und selbst in der Kälte. Vor allem Kinder riechen wohlig, wie ich finde; irgendwie frisch. Und ältere Menschen können säuerlich riechen, auch wie ältere Kleider, die länger schon nicht gewaschen wurden.
Und natürlich gibt es Gerüche, die einen selbst erfreuen: die sind vermutlich hoch subjektiv, wenn auch einige Evergreens wohl zur universalen Grammatik des Wohlgeruchs zählen, wie beispielsweise frische Kräuter. Ich persönlich mag sowohl Benzin als auch Kaffee. Als Junge hegte ich den Wunsch, Zimmer mit spezifischen Gerüchen einzurichten.