Wie häufig haben wir das Gefühl, dass etwas nicht stimmig ist? Irgendwo nicht zusammenpasst? Etwas falsch ist?
Zwar handelt es sich um einen schwer zugänglichen Begriff. Doch hat er eine lange Tradition und ist ein äußert wichtiges Momentum für Verhalten und Stimmung. Es ist ein medizinischer Begriff, der in der Geschichte der Psychologie schon einige Wandlungen erfahren hat.
Verlässt man den klinischen und medizinischen Bereich mit seiner grundsätzlichen Anmutung von Krankheit und Pathologie, so eröffnet das Konzept ein wichtiges Moment zur Einsicht über sich selbst – und den anderen. Denn die Verwirrung darüber, dass etwas nicht stimmt, löst verschiedene Reaktionen aus: es ist zunächst diese Irritation, dass das oder jenes nicht richtig ist.
Und daraus entwickeln sich dann die großen Schlussfolgerungen, sprunghaft und zwangsläufig. Das Gegenüber ist sofort mit einem Mangel behaftet; und es stellt sich das Gefühl ein, dass man sich in Acht nehmen muss. Alleine die Formulierung, dass etwas nicht richtig ist, rückt den gemeinten Menschen schon in die Nähe des psychisch Erkrankten. Insgesamt lautet die Grundstimmung dann: bitte Distanz wahren!
Der Mangel an Kohärenz ist die Ursache dafür, dass der Mensch eine Situation und eine soziale Interaktion als schräg empfindet – es ist dieser Modus, dass etwas stört, nicht passt. „Irgendetwas stimmt nicht mit dem Menschen“, haben wir alle schon einmal gehört. „Der ist unehrlich!“
Anders gewendet ist ein Mindestmaß an Kohärenz auch die Mindestbedingung, sich auf einen anderen Menschen überhaupt einzulassen. Man muss sich schon wohlfühlen oder neugierig sein. Sonst kann daraus kein Kontakt erwachsen, der einem gefällt – es sei denn, man sucht willentlich und bewusst gesteuert den Kontakt zu einer anderen Person.
Auch der Körper verlangt nach einem Gefühl an Integrität und Passung: es gibt so viele Menschen, die mit ihrem Körper fremdeln, ihn gar ablehnen. Auch nach einer längeren und ernsthaften Erkrankung sucht er den Zustand, in dem man seinen Körper wieder annehmen kann. Man blickt dann nicht mehr von oben herab auf den Körper herunter und denkt, dass das alles nicht schön aussieht.
Kohärenz ist auch das Ziel kleiner Alltagsentscheidungen. Man nehme nur die Menschen, die nur in Fahrtrichtung einen Verkehrsträger nutzen können. Dann fühlt es sich erst richtig an.
Der Mensch ist auf Kohärenz verpflichtet, wenn er sich frei entscheiden kann, seinen inneren Stimmen und Stimmungen zu folgen. Alles andere sind Zwänge, die ihn verpflichten, diese Komfortzone zu verlassen. So muss man ja auch beispielsweise mit Menschen auskommen, auf die man sich niemals freiwilligen einlassen würde, gerade im beruflichen Alltag, aber genauso bei einem Engagement in der Freizeit.
Daher klingt vermutlich auch das programmatische Ziel eines Team-Building hohl. Den man kann nur schwerlich seine inneren Neigungen überwinden oder korrigieren, jemand zu mögen – es sei denn, man tut dies aus ideellen oder religiösen Gründen. Man erinnert sich an die Formel von Sepp Herberger, der die Lösung ausgab, eine Fußball-Mannschaft müsse aus 11 Freunden bestehen. Heute hat man die Einsicht, dass eher eine kooperative Konkurrenz zu Erfolgen führt – oder eben ein guter Physiotherapeut.