Der Grundsatz der liberalen Gesellschaft ist, dass jeder so leben darf, wie er will. Welche Errungenschaft! Ist doch die gesamte Geschichte der menschlichen Entwicklung davon geprägt, dass sich der Stärkere durchsetzt und der Schwächere unterworfen wird.
Andererseits handelt es sich dabei aber auch um eine Zumutung wider die Natur des sozialen Zusammenhalts: denn der orientiert sich weiterhin an der Gemeinschaft der Gleichen. Dies kann Familie sein, die Gruppe der Gleichaltrigen, die gleich aussehen usw. Es schließt aber diejenigen aus, die eben nichtmals rudimentäre Gemeinsamkeiten aufweisen, also die Freaks.
Die sog. Anthropologie macht uns also einen Strich durch die Rechnung, wenn eine pluralistische und libertäre Gesellschaft ansteht. ‚Die Natur des Menschen‘ ist nicht leicht mit diesem Programm zu vereinbaren bzw. zu verzahnen. Denn der Mensch ist eben nicht nach den Grundprinzipien dieser Gesellschaft gebaut – sonst wäre sie wohl auch schon von Anbeginn der Menschheit das Maß gewesen. Sie ist vielmehr erwachsen aus bitteren Erfahrungen und guten Erkenntnissen. Aus der Idee geborgen wurde sie erst pilotiert, dann aber auch zum Modell erhoben. Es verhält sich dabei ähnlich wie bei Überformung der Umwelt durch den Menschen: das Anthropozän ist das Ergebnis.
Doch gelten die Grundprinzipien nur als Rahmen, der auch durchgesetzt sein will: zu sehr kämpft der Mensch mit seinen Atavismen aus wilden Zeiten. Denn im Kleinen kehren viele der ‘Schlechtigkeiten‘ wieder, die wir eigentlich überwinden wollen.
Gerade im politischen Raum sieht man die Rückschritte: dort nämlich breitet sich schleichend der hässliche und mit Hass getünchte Ton aus, den man über Jahrzehnte versuchte, unter den Deckel zu schieben. Und tatsächlich gibt es auch diese polare Weltsicht von US and THEM durch neue völkische Parteien. Der Wolf wagt sich aus dem Schafspelz.
Das plurale Leben in Eintracht und Neugierde gilt es also nicht nur zu verteidigen, sondern auch zu missionieren. Tatsächlich heißt es, den Radikalen durch Umerziehung und Verhaltensänderung zu begegnen.