Politische Entscheidungen

Die Öffentlichkeit hält politische Entscheidungen für Kompromisse auf höherem Niveau. Sie betreffen größere Kreise von Menschen; also sollten sie auch bedacht sein und dem Wohlsein der Menschen nahe kommen.

Das ist jedoch wir gefehlt, wie ich nach 20 Jahren beruflicher Tätigkeit im politischen Umfeld berichten muss. Denn politische Entscheidungen sind von einer enormen Spannweite an Aspekten beeinflusst.

Die vielen Biographien von Politikern helfen hierbei nicht. Denn sie sind retrospektiv geschönt, also in einen historischen Sinnzusammenhang gestellt. Sind sie von unabhängigen Autoren geschrieben, so bezeichnen die Politiker die Beschreibungen oft als unrichtig. Meist sind politische Entscheidungen auch keine direkten Folgen von persönlichen und Beziehungen. Meist sind sie einfach Murks.

Zwei jüngste Entscheidungen fallen mir ein, die mir aufgrund ihrer spektakulären Dimension einiges Nachdenken bereitet haben, zuerst die Entscheidung Merkels zur Notaufnahme von Flüchtlingen; zweitens die Entscheidung von SPD-Parteichefin Nahles zum Rücktritt von allen Mandaten und Ämtern.

Dies sind keine impulsiven und raschen Entscheidungen, vielmehr Überlegungen zum Schicksal seiner selbst oder seines Auftraggebers, des Volkes. Man weiß stets, dass diese Entscheidungen auch andere Menschen betreffen – im Guten wie im Schlechten. Und so muss man immer sich vorsehen, dass man die Entscheidungen später verteidigen müssen wird; den Widersacher loben, das er zum Feind erwachsen könnte.

Bei weniger Raum greifenden Entscheidungen wirken einige Kräfte aus dem unmittelbaren politischen Milieu mehr als aus dem Alltag. Was Menschen mit Distanz zur Politik nicht verstehen, ist die Allmacht des unmittelbaren politischen Umfeldes, das seine eigene Logik erzwingt. Und somit stimmt dann das Urteil der sog. Straße nur in etwa, dass Politik sei realitäts- und bürgerfern. Auch medizinische Entscheidungen referieren auf ihr Beziehungssystem, den menschlichen Körper.

Die einzelnen Aspekte bestehen dann darin, dass man mehrere Loyalitäten wie Illoyalitäten zu beachten hat: die eigene Partei, das Amt, die eigene Überzeugung, die Nachhaltigkeit, das Gleichgewicht vieler anderer Interessen. Daher gibt es so gut wie Lösungen, die auf der Hand liegen, sondern eben Konstruktionen und Stories.

Am Ende handelt es sich um eine handlungsrationale Entscheidung, die irgendeinem Faden folgt, den man nachvollziehen könnte. Doch der – breiten, weniger der politischen – Öffentlichkeit bleibt dies verborgen, zumal sie nichtmals die Handlungsbedingungen des Politikers kennt.

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