Immer wieder und täglich begegne ich Bewertungen über das Leben, das ein oder andere Phänomen: die Politik ist doch schmutzig; hier lässt sich doch ohnehin nichts ändern; die ganze Klimaänderung stimmt so nicht; … dennoch ahnt und weiß jeder, der dieserlei Dinge äußert, dass dieses Urteil schnell gesprochen – und die wahre Debatte viel differenzierter ist.
Woher kommt dieser Schnellschuss? Man weiß doch, dass es bloß eine persönliche Vermutung ist – schließlich durchdringt man diesen Sachverhalt nicht. Wieso ist man so mutig, auf Basis einer Halbwahrheit und Überzeugung eine Bewertung zu fällen? Und die dann noch mit Verve zu vertreten?
Es könnte sein, dass Menschen nicht wahrnehmen wollen, dass sie Bewertungen besser begründen können müssen. Schließlich ist das eine schmerzliche Wahrheit! Oder aber sie glauben wirklich daran, dass man sich ein Urteil schon mit Indizien leisten kann – schließlich machen das Gerichte ja auch. Oder sie glauben, dass sich Sachverhalte auch bewältigen lassen, wenn man nur einen Bruchteil an Informationen hat – in etwa: wenn ich einen Kuchen an einer Seite aufschneide, ist der Geschmack doch derselbe wie überall.
Auch die Hierarchie einzelner Argumente folgt keineswegs den logischen Schritten eines schlüssigen Gedankengangs. Dobelli hat ein schönes kleines Werk geschrieben, um uns zu sensibilisieren.
Nehmen wir auch die Bewertung eines Menschen: bevor wir auch nur wahrnehmen können, haben wie das bislang Unbekannte gegenüber in der Matrix verortet. Und wir laufen dann mit dieser Hypothese Jahre herum, bis eine Beobachtung, eine Erkenntnis oder eine Erfahrung wieder ein neues Bild kreiert.
Überhaupt gehen wir wohl durch das Leben mit einem riesigen Bauchladen an Annahmen, Irrungen, widersprüchlichen Positionen und mehr. Man könnte dise Aussage freilich abtun als Binsenwahrheit und Annäherung an einen guten Zustand. Doch ist die Masse Mensch eben wie eine Schlammmasse, die sich träge bewegt; wie ein Schwarm agiert, der irgendwelchen Leitvögeln hinterher segelt.