Durchschnittlich

Man blickt zurück und urteilt, dass sein Leben wohl doch eher durchschnittlich war. Bei vielen dreht sich dann der eigene Magen um: das Leben war vergeudet; nichts ‚Ausser‘gewöhnliches lässt sich vorweisen.

Doch ist das schlimm? Was nur hätte man davon, außergewöhnlich gewesen zu sein? Wäre das im Vollzug des Lebens besser gewesen? Hätte man Dinge genießen können, die dem Durchschnitt verwehrt bleiben?

Der Ruhm der Nachwelt ist verflogen, wenn man nicht mehr ist. Also wozu die Anstrengung? Denn man wird rasch vergessen: der Hausrat landet auf dem Flohmarkt; die Anzüge werden weggeworfen; das Grab verödet; es dauert keine 10 Jahre und man ist zum Staub der Entwicklung verwandelt.

Bei Laufwettbewerben fragt man sich gegenseitig nach dem Erreichen der Ziellinie, wie schnell man war – ein Ritual, an das sich jeder gewöhnt, obgleich es langweilig ist. Ich persönlich bin immer in der Mitte, totaler Durchschnitt! Und ich frage mich dann, wie es für andere und mich zumutbar wäre, ständig von guten Läufen und Bestzeiten zu berichten.

Ich kenne gegensätzliche Verhaltensweisen: ich will nicht auffallen, mich exponieren. Und dennoch gesehen werden. Andere wollen immer die ersten, besten, schnellsten, schönsten, erfolgreichsten sein. Und es gibt die kleine verrückte Gruppe, die zu den Extremisten des Under-Statements zu gehören: die wollen die letzen sein.

Der Mensch zu sein, der weder nach unten noch oben auffällt und damit keinerlei Aufmerksamkeit erzielt, ist eine gefühlte Schmach: ja habe ich denn nicht irgendetwas Tolles, was mich einzigartig oder zumindest begabt macht?

Froh ist unsereins nur, wenn der Arzt bestätigt, alles sei normal. Auch bei Ermittlungen der Polizei oder der moralischen Investigation gilt es, bloß nicht aufzufallen. Alle sind plötzlich Durchschnitt.

Nach der Normalverteilungskurve dürften wir für unterschiedliche Kriterien Durchschnitt sein. Vielleicht bin ich resigniert, möglicherweise gleichgültig: doch Durchschnittlichkeit schreckt mich nicht. Ich fühle mich dort ganz gut aufgehoben.

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