Kennen Sie das? Eine enge Bezugsperson trennt sich von ihrem Lebenspartner: und plötzlich ist der Ex der lebendige Anti-Christ, der das Böse schlechthin verkörpert. Eine völlig ungeahnte Volte Face drängt auf Sie ein. Ausweichen können Sie nicht: schließlich verlangt man von Ihnen unbedingte Solidarität.
Alleine die Erhaltung der Freundschaft ist schon schwierig, ohne sich erpressen, vergewaltigen oder völlig fremd bestimmen zu lassen. Denn im Augenblick höchster Emotion ist man gezwungen, Stellung zu beziehen, und einen Dritten abzuurteilen oder eben zu verteidigen.
Es erinnert an einen Politthriller im Verborgenen: man muss bei einem Verhör genau das Gegenteil seiner Rolle spielen, um überleben zu können. Man muss sich von eigenen Überzeugungen distanzieren.
Oder aber man schwört von einer Überzeugung ab, weil man sich in einer Sache getäuscht hat; auch von einer heldisch verehrten Person. Das geschieht bei moralisch verwerflichen Taten; oder der plötzlichen Ablehnung durch den anderen. Eine Illustration dafür ist der kirchliche Hirte, der sich sexuell an Kindern vergangen tat.
Und was passiert dann? Ex post wird alles umgedeutet: die positiven Seiten werden relativiert und verdrängt; die bislang negativen Aspekte werden gesucht, gefunden und verstärkt. Das Spiegelbild wird verkehrt, das bisherige Zeugnis auf den Kopf gestellt.
Im eigenen Denken dürfte tatsächlich die Landschaft, also das Konzept des anderen nach Kästchen durchsucht werden, die sich – Basis-logisch – umdrehen lassen. Im Schnelldurchlauf wird jegliche Kleinigkeit vergrößert, um zum Charakter umgedeutet zu werden.
Wer ist davor geschützt? Niemand!
Ein Fluchtweg könnte sein, nie den anderen auf einer Werteskala für immer und ewig platzieren zu wollen. Man muss wohl tatsächlich dynamische Einstellungen zu Menschen haben: sich auch zu erlauben, dass er oder sie sich verändert ebenso wie man selbst.