Wer kennt nicht die emotionale Kurve eines Streits? Der Körper geht hierbei in eine Kampfsituation wie auf einem Schlachtfeld. Man fährt alle biologischen Treiber hoch, um zu gewinnen. Der Kopf jedoch wird nur noch geduldet, nicht mehr gehört.
In dieser Situation geht es dem Körper um Leben und Tod. Der Organismus ist auf Kampf ausgerichtet: Angriff, Flucht oder Starre sind die Optionen. Und alles passiert in solchen Situationen: im Verlauf der Eskalation würde man dem anderen am liebsten ins Gesicht springen und zum Schweigen bringen. Dann aber befiehlt die Intuition, einfach aufzugeben und zu gehen. Uns schließlich ist man so verblüfft und gelähmt, dass man – phänotypisch in sich gekehrt – einfach nur ins Leere starrt.
Wie angenehm ist doch der Streit, der nur Wettbewerb ist: wie machen das die Briten eigentlich? Wieso sagen sie am Ende ‚Konsens im Dissens‘? Warum nur wissen Briten um den sog. gesunden Menschenverstand, der die Haltung zur Grundlage hat, dass am Ende nur die Sicherheit zählt, selbstbestimmt zu sein? Und wieso kann man dann zurückstecken, um nicht des Recht haben Willens ungerecht zu werden?
Es ist so schwer, einen Konflikt als solchen nicht als Bedrohung zu empfinden. Und ihn als Normalität zu werten, der die eigene Existenz nicht bedroht.
Vermutlich muss man das lernen. Wahrscheinlich ist richtiges Streiten ein Lerngegenstand, der zur Grundausstattung eines gelungenen Lebens gehört. Nur wer das lernt, nimmt einen Streit nicht als Niederlage oder als offene Frage mit ins Bett und in den Schlaf.
Ein Streit braucht Haltung: denn Streit muss möglich und normal sein; keinesfalls eine Ausnahme von der Regel sein; emotionale Aufruhr hilft nicht, sondern führt ins Chaos.
Technik und Methode eines guten Streits leiten sich von der Haltung ab. Denn ist man sich sicher, bei einer Niederlage kein wichtiges Opfer bringen zu müssen, ist genau das Unterliegen gleichgültig. Ist man sich klar, das Gegenüber für eine längere Zeit vor den Kopf gestoßen zu haben, wenn man ‚Recht behält‘, sollte man besser davon absehen. Will man sportlich bleiben, so würde man abbrechen, um zu einer späteren Revanche aufzurufen.
Man nehme die Harvard-Methode bei Verhandlungen. Man nehme die Formel der Politikwissenschaft: who gets what and how? Oder man nehme das Prinzip der Fairness. Immer geht es darum, im Einvernehmen zu streiten. Dazu gehört Haltung, vielleicht auch ein wenig Einsicht. Auf jeden Fall ist es möglich.