Kürzlich erzählte mir ein Bekannter, dass er immer für Freitag nachmittag in seinen Kalender eine Stunde Nachdenken eintrage. Denn sonst käme er nicht zum Denken, nur zum Ausführen.
Ich hatte zudem einen Beitrag über einen Manager gelesen, der thematisierte, wann eigentlich in einer dichten Arbeitswoche Strategiebildung vollzogen würde. Denn der Kalender lässt das schlicht nicht zu. Die kurzen Passagen ohne Termin dienen der Vor- und Nachbereitung oder schlicht zur Erholung. Also muss man sich fragen, wann eigentlich Denken überhaupt möglich ist.
Mein Bekannter ist Geschäftsführer. Auch wenn er seine Tätigkeit schon länger ausübt, so ist es im Sinne der Optimierung und Erhaltung des Geschäfts geboten, auch über Prozesse, Rahmenbedingungen oder Strategie – also die großen Fragen – nachzudenken. Alles andere ist Ausführen und Verwalten.
Solche Stunden fallen wohl noch immer der preußischen Tugendlehre zum Opfer: wer das braucht, hat seinen Job verfehlt. Gleichzeitig ist die globale Kultur dafür verantwortlich, weil sie der Führungskraft immanente Fähigkeiten unterstellen. Der Vielfalt der Annahmen haftet der Anschein der Illusion und des Unmöglichen an: denn wer für größere kognitive Herausforderungen gewappnet sein will, der muss auch Kapazitäten investieren können. Und das sind Zeit, Weiterbildung, Beratung und Austausch sowie Gesundheit.
In der Glitzerwelt der Hochglanz-Magazine, die Wirtschaft, besser Business zum Thema haben, gibt es das nicht. Die typischen Accessoires der Überflieger und Vordenker bestehen aus Abschlüssen, beruflichen Stationen, persönlichen Verbindungen zu anderen Promis oder aber auch extravaganten Hobbies (Golfen, Laufen) und anderen Talenten (wie Kochen).
Einzige Annäherung an so etwas wie Räume zum Nachdenken sind Selbsterfahrungen aller Art: Wanderungen; Klosteraufenthalte; Meditationsreisen; oder …
Aber Vorhalteräume zum Nachdenken und Lernen finden sich hier so gut wie nicht. Manager und niedrigere Führungskräfte gehen nicht auf philosophische Seminare oder in strukturierte Beratungsstunden – höchstens zum Coach, der sich auf ihre persönliche Rolle konzentriert.
Und schon gar nicht wird quer gedacht, um Innovationen anzuregen. Nachdenken gilt als immanent im Lebensvollzug – eben nebenbei so. Das passt sich dem Standard der Gesellschaft an: wieso eigentlich lernt man in der Schule nicht ‚Nachdenken‘, also begünstigende Faktoren und strukturelle Gestaltungen?
Und so gehen wir als Amateure und Ignoranten an das Nachdenken heran. Wir tun und machen das in der Hoffnung, dass es gelingt. Wir machen uns keine Gedanken darüber, ob gerade die Instanz zur Anleitung für unser Handeln gesund ist und richtig funktioniert. Wir pflegen und trainieren sie auch nicht; wissen aber auch nicht, wie das geht.
Daher ziehe ich den Hut davor, dass man das offen zum Thema macht und für sich setzt. Es setzt Nachdenken auf die Tagesordnung.