Es gibt zwischenzeitlich so viele Selbstbeschreibungen von Geschlecht, das selbst ein interessierter Mensch keinen Überblick gewinnen kann.
Im SPIEGEL las ich, dass es nicht nur dutzende, sondern noch viel mehr Konzepte gibt. Scheinbar explodiert die Zahl sexueller Identitäten.
Wieso fasst die Menschheit den Entschluss, plötzlich nicht mehr in Frau und Mann unterteilt sein zu wollen? Das ist nicht leicht zu verstehen, ist es doch eine anthropologische Konstante und eine fundamentale Tatsache aller moralisch-sittlichen Systeme. Binnen zweier Generationen ist die sexuelle Identität ein weltweites Phänomen geworden. Woran nur liegt das?
Ich könnte spekulieren, um mir das irgendwie zu erklären: erstens, gibt es so etwas wie ein Gruppenphänomen, nicht dazu gehören, eben anders sein zu wollen.
Dann könnte es auch in der individuellen Erfahrung von Erziehung begründet sein, soweit Eltern ihre Kinder zu sehr in eine Rolle drängten – um dann genau die Opposition zu erfahren, wie sich der Punk gegen die zwanghafte Geordnetheit der Schuluniformen aufgelehnt hat.
Weiter ist es sicherlich auch Ausgeburt der allgemeinen Entwicklung, seine eigene Identität zu konstruieren. Das Internet bietet dafür einen Raum, in dem sich ein Wettbewerb um die schrillsten Entwürfe entfacht hat.
Viertens ist es damit zu erklären, dass Biologie und Körperlichkeit sich immer weiter von der evolutionären Bestimmung entfernt haben.
Schließlich könnte es schlicht ein – noch – ungeklärtes Rätsel sein, das möglicherweise gar unter biologischem Einfluss steht.
Ob sich das Phänomen über Untersuchungen an Einzelpersonen erklären lässt, weiß ich nicht. Man könnte sich vorstellen, die Regelmäßigkeit der Biographien – ähnlich dem Prozess von Phylo- auf Ontogenese – zu analysieren; in der Hoffnung auf generalisierte Ergebnisse.
Ich selbst bin aufgrund meiner eigenen Ahnungslosigkeit völlig unvorbereitet für eine Bewertung und somit ein Handlungsreisender im Umgang mit solchen Personen. Ich bin eigentlich nur: neugierig.