Welch interessantes Phänomen! Wer trägt eigentlich die Schuld?
Die Opfer sind ausgemacht: die Sportler. Die Täter kennt man auch: das Umfeld. Wer ist dieses Umfeld? Es sind die Trainer, die Ärzte, die Verbände. Wer ist derjenige, der keine Rolle spielt? das Publikum. Wie einfach kann die Welt sein!
Würde es dieses ‚System‘ nicht geben, würden wir nicht nicht verkleidet bei einer Europa- oder Weltmeisterschaft vor dem Fernsehen kleben, um dem deutschen Gewinner zuzujubeln.
Das System hat nicht nur eine Voraussetzung, sondern auch einen Motor – und das ist die öffentliche Aufmerksamkeit. Gebe es keine Stadien, gebe es keine mediale Berichterstattung. Gebe es nicht die Lust am Zuschauen von sportlichen Wettbewerben, dann gebe es nicht diesen Sport. Es ist die kollektive Erwartung, große Wettkämpfe zu verfolgen, heldenhafte Siege
Verlierer zu küren und Verlierer zu bedauern.
Die sog. Hintermänner sind nur Erfüllungsgehilfen dieses Systems. Die Beschuldigung, alles sei nur noch Kommerz und es ginge nur noch ums Geld, lenkt den Faktor ab, der auch diese treibt: uns, das Publikum.
Es sind die kleinen und signifikanten Botschaften des Publikums, die den Druck erst wirklich entstehen und pervertieren lassen. Die veröffentlichte Meinung jagt den Misserfolg wie ein Versagen, gar wie einen Verräter oder Kriminellen. Wie die das Team der eigenen Nation hat nur 3 Medaillen gewonnen! Was ist denn bitte in der Vorbereitung falsch gelaufen? Wer hat da keine ganze Arbeit gemacht? Bestimmt ist der Trainer nicht der richtige! Die Athleten sind eben zu bequem geworden – sie können sich nicht mehr quälen.
Und so kann man sich denn auch über diese Bösewichter aufregen, zetern, wettern und sie verdammen.
Die Verklärung, früher sei Sport noch Spaß gewesen, ist ein schöner Traum, der eben nicht mit der Realität korrespondiert. ‚11 Freunde müsst ihr sein’, sagte Herberger zu seinen Helden von 1954. Doch wer schon einmal einen Mannschaftssport versucht hat, weiß doch, wie sehr dies Wunschbild ist. Da schießt der eine mehr Tore, bekommt mehr Beifall und wird als Bester Spieler gekürt. Das schmeckt einem nicht.
Sind wir unschuldiges Publikum wirklich außen vor? Ernsthaft gefragt: würde es den gedopten Sport überhaupt geben, wenn wir nicht da wären? Nein! Man stelle sich das System gedopten Sports ohne Publikum vor!
Was sollte das denn? Wer käme nur auf die Idee, ohne Applaus zu rackern, um Höchstleistungen zu erzielen? Die wären wirklich verrückt! Die Doper, das sind wir Zuschauer.