Rituale post Terror

Dieser Tage gibt es in den Nachrichten so viele Berichte über Terroraktionen wie ich mich in meinem Leben nicht erinnern kann.

Da ich ein erfahrener Kunde und Konsument solcher Nachrichten bin, bin ich in dem Prozess der Abarbeitung so versiert wie diejenigen, die ihn steuern.

Dieser Prozess könnte in einer QM-Verfahrensanweisung stehen. Denn er folgt einem etablierten Muster. Einige Bestandteile kehren in loser Reihenfolge wieder.

1. die Fakten werden bekannt gegeben: wer ist der Täter? Wer sind die Opfer? Wie ist das Verbrechen gelaufen? Diese Phase wird wie ein Krimi inszeniert, der von Journalisten wie in einem Sprechtheater vorgetragen wird. Echtbilder tauchen meist auf, da Augenzeugen nunmehr auf ihre Handies zurückgreifen können. 2. die Suche nach der Ursache wird aufgrund guter Polizeiarbeit und dem Legen von Spuren durch die Täter rasch beendet. Nach Stunden und Tagen herrscht Klarheit darüber. 3. es werden moralische Führer nach ihrer Einschätzung gefragt, als ob sie die Reaktion und den Kurs festlegen müssten. Das sind Politiker, Experten / Wissenschaftler, Prominente. Schweigt einer, wird sofort bemälkelt, da interessiere sich ja einer nicht. 4. die Öffentlichkeit debattiert darüber, wie eine Wiederholung verhindert werden kann. Meist geht es dann darum, Gesetze zu ‚verschärfen‘, Aufklärungsarbeit zu leisten und potentielle Tätergruppen präventiv zu betreuen.

Das dauert einige Tage, bis die Medien wieder ein neues Thema priorisieren. Und wenn wieder ein Abschlag verübt wird, beginnt das Abarbeiten wieder von vorne.

Das seltsamste Phänomen in dieser Reihung von Etappen ist die Beteuerung des emotionalen Schocks und Schreckens: Fassungslos, bestürzt, tief entsetzt, innerlich betroffen und und und. Doch bis auf die Beteiligten und die Angehörigen der Opfer dürften nur empfindliche Menschen tatsächlich ‚betroffen‘ sein.

Vielleicht ist dies schleife ja ein Ritual, mit dem wir schell wieder zur Tagesordnung und zum Normalzustand übergehen können. Mich beschleicht aber der Argwohn, dass es sich hierbei um ein nerven kitzelndes Infotainment handelt. Es unterhält und interessiert. Es ist ein typische ‚human interest story’. Klassen sie uns das ‚öffentliche Interesse definieren. Es kann doch nicht sein, dass dies das Wichtigste ist.

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