Wird man mit Reifung wieder Kind, oder was?

Kürzlich zeigte mir ein Bekannter, der in den Mit-50igern ist, dass er einen Account auf Instagram hat. Mit festem Blick auf das smart phone wies er mir nach, dass er mit einem Blumenbild über 300 Follower erreicht hätte. Ich wusste nicht so recht, wie reagieren. Mir war auch nicht klar, was er von mir als Reaktion erwartete. So nickte ich nur und murmelte ‚aha‘.

Würde genau dieser Kollege in der Öffentlichkeit einen Fehler eingestehen müssen, wäre ich ziemlich gewiss, dass er Ausflüchte finden oder gar seine Verantwortung leugnen würde. Durchweg lässt sein Verhalten darauf schließen, dass er öffentlich nur Aufmerksamkeit erleben will, soweit er sie positiv erlebt und bewertet.

Nun mag es sein, dass eben dieser Mensch trotz Alters und Lebenserfahrung eben noch nicht seinen Reifeprozess durchlaufen hat, über den auch er Zugeben und Demut erlernt hätte. Denn im Leben stellt sich immer einmal ein Standpunkt – oft auch die Einsicht – ein, dass man nicht immer der sein Muss und kann, der der Beste ist.

Dann könnte ich auch denken, dass er eher spielerisch diese Seite aufgerufen hat, um mir zu sagen: das leiste ich mir, Kind zu sein. Denn Kinder benötigen Bestätigung durch ihre Respektspersonen: „Mama, Mama, schau mal, ich kann das.“ Da ich den Kollegen schon länger kenne, scheint mir eher ausgemacht, dass er tatsächlich zeigen wollte, wie innovativ, modern und somit jung geblieben ist.

Gerade Männer demonstrieren diese Verhaltensweise im reiferen Alter. Sie folgen ihren Hobbies unbeirrbar – oder besser unbeeindruckt vom Stirnerunzeln ihrer lebensweltlichen Publikume. Sie sammeln Eisenbahnen, gehen Angeln oder treffen seltsame Miteiferer beim Beobachten von Verkehrsflugzeugen.

Man könnte meinen, nach einer Phase der Ernsthaftigkeit würden sie sich Ihren Interessen zuwenden und nicht mehr auf die Spiegelung ihrer Umwelt achten.

Doch bei diesem, meinem Kollegen habe ich eher den Eindruck, dass er sich wieder auf die Bedürfnisse des Kindes reduziert, gesehen zu werden. So würde er einem basalen Grundanliegen ‚schau mal’ nachgehen – aber das ist auch ok!

 

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