Besinnt man sich auf alltägliche Situationen, so ist man überrascht, wie viele Wettbewerbsituationen man durchläuft: der Autoverkehr am Morgen, die Selbstzerfleischung unter Kollegen, die kürzere Warteschlange beim abendlichen Einkauf usw.
Das ganze Leben, das soziale Sein, ja die Natur sind ein einziger Wettbewerb. Die Evolution an sich ist ein einziger Kampf um das bloße Überleben. Gerade das Testosteron und seine Schwestern und Brüder sind die Garantie für biologische Kraft. Der Kapitalismus ist der moralisch überhöhte Wettbewerb, der dem Gros der Menschen Wohlstand bringen soll. Und wollen wir uns heute mit einem belanglosen Fernsehprogramm entspannen, so schauen wir ein Quiz oder Fußball, im Kern eben Wettbewerbe.
Anthropologisch ist Wettbewerb wohl der Garantie für Fortschritt, wodurch sich gute Ideen in der Praxis etablieren. Davon profitieren dann viele mehr Menschen. Ehren wir den Gewinner im Wettbewerb, so sind wir blind für diejenigen, die sich nicht durchsetzen.
Ein Freund berichtete mir, dass er sich mit nun 60 Jahren aus dem Wettbewerb mit seinem Kollegen an der Hochschule verabschiedet habe. Es sei lächerlich, diesem System der veröffentlichten Papiere hinterher zu laufen. Die Lehre mache ihm nach wie vor enormen Spaß. Und seine Freizeit würde er nun wirklich Dingen widmen, die Abenteuer darstellten: so habe er an einem Online-Kurs über Einsteins beiden Relativitätstheorien teilgenommen. Es sei ein wunderschöner Ausflug in gedankliche Neugierde und Faszination gewesen – auch wenn er zugegebenermaßen nicht alles verstanden habe.
Das Alter scheint natürlicherweise den Wettbewerb zu belächeln: man lächelt über die früheren Anstrengungen, man genießt plötzlich Dinge an sich, man Das Schwinden der Wettbewerbs-Hormone bereitet uns Ein- und Ansichten, für die wir früher weder biologisch noch intellektuell in der Lage waren.
Doch hüte man sich vor den Eitelkeiten des Alters, wenn dann Hochbetagte sich einen Wettbewerb über das erfolgreichere Leben und die bessere Gesundheit geben. Man sollte nicht verspielen, was man an Ausgewogenheit zunächst erlangt hatte. Denn Alter schützt auch vor Torheit nicht.