Sotchi und die Folgen

„Es lebe der Sport“ sang Reinhard Fendrich einst. Zynisch machte er sich
ueber die Profituemelei der Hobbysportler lustig.

Nehmen Sie an, Sie kaemen von einem fremden Stern und wollten unsere Welt
kennenlernen! Sie wuerden auch an Sport nicht vorbeikommen. Belustigend
fuer Fremde muss schon diese Aussprache des Wortes sein, da man seinen
menschlichen Mund zu einem runden Ring formen muss.

Und so wuerde Ihr Zugang ueber die Berichterstattung der Medien folgen.
Dort zaehlen nur diese Treppchen und Amulette, die man niemals auf der
Strasse tragen wuerde.

Mit den Medien zusammen hebt und senkt der Buerger und Zuschauer seinen
Daumen. Es ist dann ganz leicht, die Helden von den Versagern zu
unterscheiden. Das passiert gar schon wahrend der Kommentierung: stimmt die
Weite, bekommt der Athlet Lob, sonst Schelte.

Gleiches vollzieht sich mit den Dopern: so viele Helden wurden durch
Tinkturen, Spritzchen, Ergaenzungsmittel zu outlaws. Der Zuschauer hat mit
diesem Switch zur Verdammnis offenkundig kein Problem. Denn die Haeme und
Erregung ueber das Verbotene, die Formulierung der sozialen Ausgrenzung ist
eindeutig: Du gehoerst nicht mehr dazu, nicht mehr zu uns, den Guten und
Regelbefolgern. Sie sind Verbrecher, da die vermeintliche Taeuschung
schwerer wiegt als die potentielle Verletzung des eigenen Koerpers.

Es zeigt sich in diesen beiden Phaenomenen, dass der Sport einem
anthropologischen Grundbeduerfnis entspricht: es setzt sich ein Instinkt
zum Johlen, Jubeln, Verdammen und Vergoettern durch. Mann und Frau koennen
die Sau rauslassen! Moralische Konventionen, ethische Verhaltensweisen und
soziale Umgangsregeln werden anders und schaerfer gewichtet.

Fuer die Sportler selbst ist eine Teilhabe am Spitzensport Wagnis genug:
kaum erlangt der Mensch Prominenz, wird er zum Objekt der Massen. Er wird
geradezu ver-rollt und ent-individualisiert.

Fuer die Funktionaere ist das Spektakel Boden ihres Wirkens und Sicherung
ihrer materiellen Existenz. Zudem macht Macht Spass.

Fuer die Medien ist Sport ein fester Punkt vor der Wettervorhersage, aber
auch eine Rubrik neben Gesellschaft, Wirtschaft und Politik – nicht Teil,
sondern mit gleicher Bedeutung.

Fuer die Zuschauer ist Sport meist zuschauen, nicht Sport ausueben. Sie
sind wie im roemischen Zirkus die Masse.

Was bleibt, wenn das Stadion verlassen ist und der Fernseher erlischt?
Schaltet man dann wieder um? Pflegt man dann das eigene Kind, das weinend
den Sportplatz nach einer Niederlage verlaesst? Kann man sich dann die
Doping-„Suende“ erklaeren? Verzeiht man sich dann selbst die langsame
Jogging-Runde? Und kann man dann wieder ueber die Maenner auf der Strasse
schmunzeln, die ihren Trainingsanzug in schrillem Polyester zur Schau
tragen?

Ich wuerde mir es wuenschen.

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