Mein Leben als Null

Es kommt immer darauf an, was man zeigen will. Ist man entschieden, den Mitmenschen die eigene Stärke und Leistungsvermögen zu demonstrieren, war man immer vorne dabei. Der eine meiner beiden Großväter war so einer: „und ich war immer vorne wech.“

Ist jedoch ein Projekt schiefgegangen, will es keiner gewesen sein. Alle Bevölkerungen dieser Welt können nichts für ihre Diktaturen. So war es und wird es wohl noch länger sein – es sei denn, der Mensch entwickelt sich so, wie er glaubt, sein zu müssen.

Man kann daraus eine – vielleicht zweifelhafte – Tugend machen: beschreiben Sie ihr Leben einmal als eine Null! Unbeobachtet, gemieden, erfolglos, unglücklich und voller Desaster. Vermutlich werden Sie danach mit welchem Leben sie gerade auch immer führen äußerst zufrieden sein.

Interessant ist eine andere Variante: was wäre mit den Menschen passiert, die Ihnen nahe sind? Wer hätte Ihre Lücke gefüllt? Sind wegen Ihnen gar Lebensläufe anders verlaufen? Das Spekulieren darum eröffnet uns wohl auch einen Blick darauf, dass wir zumindest Kreise gezogen haben.

Und dann stellen Sie sich schließlich vor, Ihre größten Erfolge wären eigentlich Totalausfälle gewesen: den höchsten Schulabschluss versenkt; den Traumpartner sausen lassen; oder den Urlaub in x abgebrochen. Und die Kehrseite der Medaille wäre dann genau das Gegenteil: das große Scheitern wären die Höhepunkte gewesen.

Sicherlich stellt sich bei Ihnen das Gefühl ein, dass auch hätte alles anders werden können. Das ist wohl wahr: unser roter Faden ist so dünn; wir sind nur Ein-Faden-Schneider unseres eigenen Schicksals.

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