Um sich vorzustellen, was einem das Leben gegeben hat, kann man sich ausmalen, was alles hätte scheitern können – absehbar oder zufällig.
Man nehme ein Blatt Papier und einen Stift; man male einen Strich für die Dauer des Lebens – und sortiere es in Abschnitte – je nach Phasen (seien es Orte, Partnerschaften, berufliche Abschnitte oder anderes). Man könnte die Brüche markieren, die so etwas wie Veränderungen oder Wendepunkte darstellen. Das könnten Trennungen, Krankheiten und irgendwelches Scheitern sein.
Und das könnte man auch erweitern: denn gerade in den stabilen Phasen geschieht nichts zum Schlechten: es war gut. Man könnte sich ausmalen, was passiert wäre, wenn … Denn gelegentlich deuten sich mögliche Katastrophen an – manchmal kommen sie aber auch unvermittelt. Dies ließen sich eintragen oder aufmalen.
Man könnte sich aber auch vorstellen, wie man sich in Krisen verhielte. Dazu reicht ja eigentlich schon ein einziger Angsttraum bei wachem Zustand. Da jeder ihm bewusste Ängste hat, kann man leicht daran anknüpfen. Vielleicht würde man spontan sagen, ‚das hielte ich nicht aus‘; ich würde wohl zusammenbrechen.
Aber ist es richtig, dass wir immer gleich kollabieren – in der Wunschvorstellung, wir würden ohnmächtig werden und beim Erwachen uns angepasst oder erfolgreich gertettet haben?
Ich selbst machte früher immer Späße darüber, dass ich wohl als Folter bewerten würde, wenn ich in einer Telefonzelle eingesperrt wäre und alle Lieder von Peter Maffey hören müsste. Doch ernsthafter geht es auch: was passierte, wenn ich gelähmt wäre; wenn ich keine bezahlte Arbeit finden würde; wenn ich meine Lieben verlöre und und und. Tatsächlich ist das ein oder andere eingetroffen. Doch bin ich nicht zusammengebrochen oder verrückt geworden.
Der Mensch ist eben wie eine Ratte: er überlebt allerhand. Wenn wir auch wissen, dass es so etwas wie ein Broken Heart Syndrom gibt; so sind wir doch überrascht, wie selten man dem erliegt. Viel viel häufiger – und in raschem zeitlichem Abstand – hat man einen Verlust und ein Scheitern kompensiert. Das ist das Erstaunliche an der Menschheit, aber auch an jedem einzelnen Menschen: er ist fähig zur Veränderung.
Was hätte nur alles anders laufen können?