Wie häufig hört man den Kommentar, ‚wacht auf‘, ‚hört hin‘, ‚nehmt es wahr‘, ‚seht auf diesen Skandal‘? Die Message ist stets dieselbe: Öffentlichkeit, nimm den Missstand wahr und löse ihn auf!
Dieses Motiv ist in der Politik und in den Medien verbreitet: wer nicht auf dem institutionellen Weg seine Interessen durchsetzen kann, der versucht es mit der diffusen Öffentlichkeit, die sich der eigenen Anliegen annehmen soll.
Das geschieht auch im kleinen sozialen und alltäglichen Bereich. Denn alle Wege müssen genutzt werden, um die eigenen Interessen zu wahren.
In Polit-Filmen taucht diese Methode immer wieder auf. Meist geht es am Ende darum, dass man den Medien oder Gerichten oder sonstigen die Informationen über die geheimen Machenschaften zuschickt. Es ist der berühmte Umschlag oder die Kopie, deren Eintreffen im Abspann zu sehen ist.
Das Interessante ist, was nach dem Abspann passiert. Denn es ist ganz und gar nicht ausgemacht, dass sich irgendetwas im Sinne des Absenders tut. Das öffentliche Interesse möge es richten, denkt sich der Absender. Doch eigentlich ist es der Medienvertreter oder Jurist, der dann über das weitere Handeln entscheidet.
Der bloße Hinweis auf eine unmoralische Machenschaft muss noch lange nicht bedeuten, dass das öffentliche Interesse es gleichsam so beurteilt. Man schaue in die USA, wo das gewählte Staatsoberhaupt lügt, betrügt, amoralisch ist und schlicht ich-bezogen. Man schaue aber auch nach Deutschland, wo zwischenzeitlich die kriminelle Tat eines Flüchtlings in den Medien höher rangiert als eine grassierende Wohnungsnot.
Oder man schaue den whistleblower, der verurteilt wird, der seine Karriere aufgibt, der seine Existenz aufgibt – alles andere als gelobt zu werden. Denn andere Logiken als nur der Glaube an das gute öffentliche Interesse greifen.
Daher ist die Gleichsetzung von öffentlichem Interesse und moralischem Gewissen nicht mehr gleichzusetzen. In ärmeren Ländern gilt dies ohnehin nicht. Dort müssen Menschen ihre physische Existenz sicher. Moral hat es dort schwer.
Das heißt aber sich, dass sich der Mensch nicht mehr auf absoluten Wertemaßstäbe verlassen kann. Er muss das schon selbst konstruieren.