Schon länger arbeite ich mono-thematisch in einem beruflichen Umfeld, das spannend und gleichzeitig nachhaltig ist. Ich bin jünger eingestiegen und habe somit schon vor längerer Zeit Menschen kennengelernt, die jetzt in den Ruhestand gehen. Damals war ich der Neueinsteiger, heute bin ich der reife Experte.
Die heute älteren Kollegen haben etwas gemeinsam, i.e. die Wehmut um die guten alten Zeiten. Meist erzählen sie ungefragt von Dingen, die früher diskutiert und entschieden wurden – als ob die Lösungen für heutige Probleme schon längst umgesetzt worden wären.
Dann führen sie auch Namen von Personen, Einrichtungen oder Problemstellungen an, die keinen Bezug zur politischen Diskussion der Gegenwart haben. Auch zürnen sie ob vertaner Chancen und vertaner Lösungen – gelegentlich poltern sie, machen die einstigen Weggefährten nieder. Oder sie stellen die als Kumpel dar, die sie früher auf das Blut bekriegten.
Für den Zuhörer ist es schwierig: denn er versucht, Respekt zu zeigen sowie den Bezug zum Jetzt abzuleiten. Es ist wie die Erwähnung der ‚Emser Depesche’, deren Brisanz zu erklären mindestens fünf Minuten dauert. Es ist schlicht aus einer vergangenen Zeit, deren Bezug zum unmittelbaren Gespräch unklar ist. Dem älteren Mann gegenüber jedoch ist die Verbindung entweder eindeutig oder gleichgültig. Die Verbindung zu erklären, will er sich nicht herablassen: denn das zu tun, bedeutete dem jüngeren Kollegen nicht zuzutrauen, es selbst zu tun. Wie dann ließe der sich noch ernst nehmen?
Zwingt man sie aber, die jetzige Problemstellung differenziert zu begleiten, erinnern sie sich nurmehr der Anleihen an frühere Aufgaben. Das jedoch hilft nicht. Fordert man sie zum konstruktiven Mitdenken auf, zürnen sie. Das mag nun daran liegen, dass ihnen die gedankliche Flexibilität abgeht, oder aber sie auf ihrer Perspektive beharren, die sie als höherwertig betrachten – schließlich waren sie ‚zuerst‘ dabei.
Kürzlich erlebte ich folgendes: in einer Diskussionsrunde spulte jeder Teilnehmer seine Überzeugungen herunter – ohne unmittelbaren Bezug zur Themenstellung. Ich wagte mich mit der Erinnerung an die Fragestellung – und wurde von den einen ignoriert, von den anderen beschimpft. All‘ das Geschehen hatte nichts mit der thematischen Auseinandersetzung zu tun: es ging einigen darum, nicht an vergangene Geschichte erinnert zu werden; nicht von diesem Wessi-Stil vorgeführt zu werden; und nicht an der demonstrativen kollektiven Begeisterung für eine These zu kritteln – vor allem aber, nicht zu einer differenzierten und einer vollziehbaren Argumentation aufgefordert zu werden.
Würde ich wieder tun? Ich glaube, dass dies nur von meiner Tagesform abhängt.