Ich habe Emotionen, also bin ich gut

Thematische Losungen werden von Menschen über ihr gesamtes Leben getragen. Ein Thema kann ein Evergreen sein, wenn es zum Lebensthema wird. Immer wieder wird es neu bestärkt; meist auch nach außen getragen. Es ist wohl wie ein Trauma, das nicht vergeht; wie ein lebenslanger Wunsch, der unerfüllt bleibt; wie ein Glaubenssatz, der stärker als ein religiöses Glaubensbekenntnis ist.

Eine Kollegin im Job ‚rühmt‘ sich damit, gut zu sein. Sie trägt diese Überzeugung dann nach außen, wenn sie provoziert wird. Zu ihrer Erklärung von Güte gehören einige Konzepte: Schwächere zu beschützen; über Ungerechtigkeit zu schweigen; und eigene Emotionen auch in der Öffentlichkeit zu zeigen. Sie unterstreicht ihre vermeintliche moralische Überlegenheit mit körperlich eindeutigen Hoheits-Bekundungen ihrer selbst.

Das ist bemerkenswert, da sie gleichermaßen auf die Bestätigung durch den anderen hofft und an sich auch damit rechnet. Kommt es nicht dazu, dreht sie den eigenen Körper so weg, wie ein römischer Feldherr seinen Mantel um den eigenen Torso wirft, um danach auf sein Pferd zu steigen und davon zu reiten. Aussage: „ich bin überlegen, mir treu und ohnehin ein Star.“

Menschen dieser Überzeugungen habe ich immer wieder getroffen. Es ist selbstverständlich nicht möglich, sich über das Phänomen mit dem selbst erklärten emotionalen Mensch zu unterhalten – zu viel Rationalität, zu viel Abgeklärtheit, zu viel Überlegenheit werden einem dann vorgeworfen. Kann man denn Nichteinmischung nur intuitiv fühlen? Und somit die Wahrheit sagen? Muss dieses umständliche Denken und Fabulieren sein? Ist das nicht Kopf-lastig? Entfernt einen das intellektuelle Geschwafel nicht von der echten Wahrheit, die irgendwo im Bauch steckt?

Was hier verkehrt wird, ist die Freiheit des Selbst gegenüber der Pflicht zum Benehmen gegenüber dem anderen. Es ist ein Egoismus, der den Schaden des anderen für schadlos hält, da man schließlich intuitiv gehandelt hat: denn das Gute kommt von innen. Das Nachdenken und Abwägen ist eine Abkehr von der Natur.

Aber: die Natur des Menschen ist zwar dies des ens soziale. Jedoch bleiben wir eben auch Raubtiere: homo homini lupus.

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