Kindersprache – eine Polemik – jenseits der Logik der political correctness

Die Ostdeutschen sind wie Kinder – voller Scham und Angst. So haben sie viele Unschuldsgesten in ihr normales Verhaltensrepertoire integriert. Ihre Ausdrucksweise verniedlicht; ihr Humor eckt nicht an; ihr Blick ist der des vorsichtigen Abwartens.

Bloß nicht auffällig werden, scheint gerade zu ein Volkssport gewesen zu sein. In der Masse untergehen, bloß keinen individuellen Kurs einzuschlagen, wohl reiner Selbstschutz. Alle Regeln zu befolgen, dürfte zu tiefer innerer Überzeugung gelangt sein.

An der deutschen Wiedervereinigung zeigt sich, wie schwer mergers and acquisitions sind. Denn die einstmals in inniger Feindschaft verbundenen Bestandteile der deutschen Nation wussten einfach zu wenig übereinander. Anderseits hatten sie auch keine Chance auf ein Zusammenleben vor der Hochzeit.

Die Ostdeutschen haben entweder direkte Erfahrung gemacht oder von ihren Eltern und peer groups gelernt zu überleben. Daher haben sie natürlich die Schutzmechanismen aus der Diktatur konserviert. Und der vernehmliche Gedanke ist natürlich, sich nicht in Gefahr zu bringen: „Sprich bloß nicht zu laut; das könnte sonst noch einer hören.“ Zwar entspricht es der sozialen Diktatur auch im Westen: „was sollen denn die Nachbarn denken?“ Auch eine kleine soziale Ächtung ist eben weniger schlimm als ein echter Freiheitsentzug.

Die Empfindung, stets nur Objekt des Herrschens anderer gewesen zu sein, lässt so auch jegliche subjektive Mitverantwortung, also die Offenheit persönlicher Reflektion nicht zu. Daher rührt wohl auch die geringe Entwicklung des Selbstbewusstseins; man dachte letztlich auch mehr in Grenzen denn in Möglichkeiten.

Und Jahre später lässt sich aus dieser Opferhaltung auch Kapital schlagen. Der gesamte politische Diskurs ist ein einziger Aufschrei nach Aufmerksamkeit und Fürsorge:

– wie durften uns doch früher nicht entwickeln

– die Wende war eine traumatische Erfahrung

– unsere Lebensleistungen wurden dadurch geächtet, dass sie in einer Diktatur erbracht wurden

– das vergangene Unrecht ist niemals bereinigt worden

– die heutigen Lebensverhältnisse sind ungleich

– die Politik betrügt nur und verspricht falsche Sachen

– und nun werden auch noch die Flüchtlinge anderer Länder bevorzugt

Es gipfelt geradezu schlüssig darin, sich als bessere Deutsche zu demonstrieren. Denn wir sind das Volk.

Da die Ostdeutschen nun merken, dass sie ernst genommen werden, fangen sie an, ihre strukturellen Beschwerden in die Wahlen einzubringen. Die Opfer einer Diktatur werden flügge; sie haben bemerkt, dass sie als aggressive Opfer zu ihrem Vorteil agieren können.

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